In der Familie Fels hat sich mittlerweile die dritte Generation mit dem Judo-„Virus“ infiziert. Marie und Nils eifern Opa Joachim und Vater Alexander nach und haben den FN viel zu erzählen.
Pünktlich auf die Minute erscheint das muntere Quartett in der Sporthalle der Kaufmännischen Schule zum Gespräch: „Urgestein“ Joachim Fels, 69, nach einem unverschuldeten Fahrradsturz fast schon wieder fit wie ein Turnschuh. Sein Sohn Alexander, soeben 36 geworden, Braungurt-Träger und Assistenzcoach im Kindertraining.
Marie, sieben, hat im Frühjahr ihre erste Gürtelprüfung zum 8. Kyu abgelegt. Stolz trägt sie den weiß-gelben Gürtel. Ihr Bruder Nils, fünf, hat wie Marie im Frühjahr 2022 mit dem Judo angefangen. Was ihm denn so am Judo gefalle, fragen wir ihn zum Einstieg. „Da kann man Medaillen und tolle Stoffabzeichen gewinnen“, antwortet er und fügt hinzu, dass er auch schon „ein paar Pokale“ gewonnen habe. Alle Auszeichnungen stehen in seinem großen Bücherschrank, berichtet er in seinem allerersten Interview und wirft schon mal einen Blick in seine sportliche Zukunft: „Bestimmt sind alle meine Regale irgendwann mal vollgestopft mit Preisen“. Wichtig ist ihm aber auch, sein Fußballtrikot zu erwähnen, auf das er ebenfalls sehr stolz ist.
Maries Judo-Auszeichnungen stehen allesamt in ihrem eigenen Bücherschrank, allerdings besitze sie einen Pokal mehr als Nils, betont sie. Nach den Sommerferien darf sie die zweite Judogruppe besuchen. Was sie am Judo so mag? „Das Spaßhaben und der weiß-gelbe Gürtel“, sagt sie und meint: „Ich kann schon sehr viele Sachen“. Ihr Opa Joachim ergänzt: „Für den 8. Kyu muss man zwei Haltegrifftechniken mitsamt deren Namen beherrschen sowie eine Wurftechnik sowie das sichere Fallen nach hinten und seitwärts vorweisen können. Zudem muss man über Judoprinzipien bescheidwissen und verschiedene japanische Begriffe auswendig lernen.“
Ein Muss war das Judo für die Kinder jedoch nie, das kann auch Alexander Fels aus eigener Erfahrung bestätigen: „Mein Vater hat es meinen Brüdern und mir überlassen, ob wir Judo oder lieber eine andere Sportart betreiben wollen. Wichtig war ihm nur, dass wir überhaupt Sport machen. Wir durften vieles ausprobieren, und als wir uns für Judo entschieden haben, hat er sich natürlich gefreut. Es gab auch keinen Zwang, das Judo-Training zu besuchen, allerdings konnte er sich bei fehlender Motivation den Hinweis nicht verkneifen, dass man etwas dafür tun muss, wenn man weiterkommen möchte. Und wenn man dann den inneren Schweinehund überwunden hatte, fragte man sich, wie man überhaupt in Erwägung ziehen konnte, das Training ausfallen zu lassen.“
Wie sein Vater kann auch Alexander Fels regelrecht vom Judo schwärmen – von dem „unfassbar“ abwechslungsreichen Training, den Fallübungen, Würfen, Haltegriffen, Hebeltechniken, den unterschiedlichen Partnern: „Das Training war und ist nie ein Einheitsbrei, es ist jedesmal anders.“
Joachim Fels beobachtet indessen, wie Marie und Nils die Matten aufbauen. Das quirlige Mädchen schlägt zwischendurch auch noch Räder. Er sagt: „Ich bin einfach nur stolz auf das Interesse meiner Kinder und Enkelkinder am Judo. Bei uns betreiben Opa, Sohn und Enkel erfolgreich dieselbe Sportart. Das motiviert mich sehr. Mich machen strahlende Kindergesichter beim Judo einfach glücklich.“
Dass nahezu 120 junge Menschen zu seiner 186 Mitglieder starken Judo-Abteilung gehören, zeigt ihm, dass er immer noch auf dem richtigen Weg ist: „Bei uns ist auch neben dem klassischen Vereinsleben viel geboten, etwa die beliebte Rubrik ,Training einmal anders‘: Bei extremer Hitze gehen wir zum Beispiel einfach ,nur‘ Eis essen, das darf auch mal sein.“
Joachim Fels, seit 2019 Ehrenmitglied des TSV Tauberbischofsheim und sein Filius Alexander engagieren sich aber auch noch auf anderem Wege: Unermüdlich beteiligen sie sich erfolgreich an Ehrenamts-Wettbewerben, so dass die Judo-Abteilung bereits einige Preisgelder für ihre besondere Kinder- und Jugendarbeit abseits der Judo-Matte gewann. „Unter anderem“ sagt Alexander Fels, „haben wir schon den ersten Platz beim Lotto Award Sportjugend-Förderpreis Baden-Württemberg errungen.“
Durch das Judo werde Kindern schon von klein auf Respekt und die Achtung vor der Leistung des anderen beigebracht. Trainer und Schüler knien sich zu Beginn gemeinsam hin und verbeugen sich vor einander. Die Familie Fels demonstriert dieses Ritual auf den blauen und gelben Matten. Die Kinder werden sofort mucksmäuschenstill.
Joachim Fels erinnert sich noch gut an seine eigenen Anfänge im Judo vor 55 Jahren: „Damals trainierten wir noch parallel zu den Turnern auf der Bühne der heutigen Stadthalle.“ Seit 1971 ist die Sporthalle der Kaufmännischen Schule „Stützpunkt“ der Judo-Abteilung. Alle seine Trainer hat der heute 69-Jährige selbst ausgebildet, viele haben selbst die höchsten Meistergrade erreicht.
Alexander Fels begeistert noch ein weiteres Merkmal des Judo: „Man kann sich nicht verstecken. Auch wenn man als Mannschaftsmitglied antritt, steht man trotzdem alleine dem Gegner gegenüber. Und selbst wenn man verliert…“, sagt er und wird von seinem aufmerksam lauschenden Sohn unterbrochen, der den Satz auf seine Weise zu Ende bringt: „…darf man nicht traurig sein“. Man darf also nicht traurig sein und: „Sieger und Verlierer reichen sich die Hand. Der Gewinner muss sich als Respekt vor dem Unterlegenen mit seiner Freude zurückhalten und darf erst abseits der Matte jubeln.“
Nils hat inzwischen seinen Judoanzug ausgezogen und trägt jetzt sein Fußballtrikot, um es der Reporterin zu zeigen. Er und seine Schwester freuen sich im Moment am meisten über eines – endlich sind die Sommerferien da.
Der Artikel erschien im Original in den Fränkischen Nachrichten (FN+).